Zeitnahe und zeitgleiche Wiederöffnung als Ziel: Einzelhändler und Gastronomen starten Kampagne
„Der Handel braucht die Gastronomie und die Gastronomie braucht den Handel“: Mit dieser Aussage wollen die drei Waldshut-Tiengener Gewerbevereine und der Kreisverband des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga auf die enge Verzahnung ihrer Branchen aufmerksam machen. Die Kampagne „Gemeinsam öffnen“ zielt auf eine zeitnahe und zeitgleiche Wiederöffnung von Einzelhandel und Gastronomie nach dem Corona-Lockdown ab.
In rund sechs Wochen steht Ostern auf dem Kalender. Ob über die Feiertage ein Restaurantbesuch oder ein Kurzurlaub in einem Hotel möglich sind, ist derzeit unklar. „Diese Ungewissheit bringt uns zum Verzweifeln“, sagt Hermann Pfau, Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga und Inhaber des Hotels Feldeck in Lauchringen. Der Hotelier fordert von der Regierung eine Perspektive, wann der Corona-Lockdown aufgehoben wird, damit er sowie Einzelhändler und andere Gastronomen sich rechtzeitig auf die Wiederöffnung vorbereiten können.
Dass die Osterfeiertage für die Branche wichtig sind, um nach der monatelangen Zwangsschließung wieder Umsatz zu generieren, weiß auch Georg Netzhammer. Als Geschäftsführer des Großhandels C+C Netzhammer beliefert er das Gastgewerbe mit Ware. „Ich traue mich gar nicht, Rindfleisch aus Südamerika zu bestellen“, erklärt der Unternehmer im Videotelefonat mit dieser Zeitung. Das Fleisch müsste er jetzt ordern, damit es rechtzeitig vor den Feiertagen in seinen drei Großmärkten ankommt. Sollte der Lockdown über Ostern bestehen und die Gastronomie nicht öffnen dürfen, bliebe er auf der Ware sitzen.
Mit der vor wenigen Tagen gestarteten Kampagne „Gemeinsam öffnen“ wollen die Betroffenen auf ihre Situation aufmerksam machen und ein Bewusstsein bei der Bevölkerung schaffen, „dass Handel und Gastronomie eng verzahnt“, erklärt Georg Netzhammer, der Initiator der Aktion ist. Dafür hat er Mitglieder der Dehoga sowie der drei Waldshut-Tiengener Gewerbevereine – Werbe- und Förderungskreis Waldshut, Aktionsgemeinschaft Tiengen und Interessengemeinschaft Schmittenau – mit ins Boot geholt.
Dass der Handel die Gastronomie braucht und umgekehrt, habe sich vor allem im Zeitraum zwischen der coronabedingten Schließung von Restaurants und Cafés zum 2. November und der Schließung des Einzelhandels am 16. Dezember gezeigt. Teilweise sei der Umsatz der Händler um bis zu 35 Prozent zurückgegangen, da eine zur Hälfte geschlossene Innenstadt ohne Cafés und Restaurants weniger Besucher angelockt habe.
Nach der Erfahrung vom Herbst fordern die Mitstreiter der Kampagne deshalb eine zeitnahe und zeitgleiche Öffnung von Gastronomie und Handel. „Es gibt keinen Beweis dafür, dass es in der einen oder anderen Branche ansteckender ist als bei der anderen, und sicheres Einkaufen gibt es seit einem Jahr“, betont Thomas Wartner, der drei Modegeschäfte in der Waldshuter Altstadt betreibt und stellvertretender Vorsitzender des Werbe- und Förderungskreises Waldshut ist.
Zara Tiefert-Reckermann, Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Tiengen, bestätigt für ihre Mitglieder, dass „die Gastronomen sehr ausgeklügelte Konzepte entwickelt haben, und auch jeder Einzelhändler sich Gedanken gemacht hat“, um eine Ansteckung in den Laden- und Gastronomielokalen zu verhindern. „Wir sind darauf vorbereitet“, sagt sie mit Blick auf die Wiederöffnung.
Zeitnah und vor allem zeitgleich soll der Neustart nach Ansicht der Betroffenen stattfinden, allerdings auch nicht von heute auf morgen. „Wir müssen gewisse Dinge vorplanen wie beispielsweise das Personal und den Wareneinkauf“, erklärt Hermann Pfau. Doch selbst wenn alles wieder wie vor der Corona-Krise läuft, sieht der Gastronom und Hotelier Probleme: „Uns wird Personal fehlen“, sagt er. Einer seiner Köche habe bereits gekündigt, um mangels Perspektiven in der Gastronomie Fuß in einer anderen Branche zu fassen.
Angesichts der unsicheren Lage, ob er an Ostern öffnen darf, fühlt Pfau sich nach eigener Aussage „hilflos“. Im Gespräch mit dieser Zeitung zeigt er sich dankbar, dass Georg Netzhammer die Kampagne „Gemeinsam öffnen“ angestoßen hat. Dieser hofft auf Nachahmer in anderen Städten und Landkreisen. „Wir wollen eine Wellenbewegung beginnen“, sagt Netzhammer. Er habe bereits Kontakt mit Verantwortlichen in Radolfzell und Singen aufgenommen.
Text: Juliane Schlichter
Erschienen im Südkurier, Region Hochrhein, Waldshut-Tiengen, online gestellt am 17.02.2021